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Vinum - Wein

Wein war in der Antike das einzig wirklich von allen Nationen der Mittelmeerwelt anerkannte Getränk. Im allgemeinen gab es die Unterscheidung in vinum album (Weisswein) und vinum atrum (Rotwein; eig. "dunkler Wein"). Plinius erwähnt vier Farbkategorien: vinum album (weiss), vinum fluvum (gelb), vinum sanguineum (blutrot) und vinum nigrum (schwarz). Dazwischen gab es natürlich mannigfaltige Farbnuancen. Auch kannte man den Effekt, dass ein dunkler Wein im Laufe seiner Lagerung heller werden konnte. Apicius lieferte in seinem Kochbuch sogar ein Rezept zur Beschleunigung dieses Vorgangs. Mengenmässig dominierte Rotwein bei weitem vor dem Weissen. Allerdings sind gerade unter den besten Weinen weisse zu finden, z.B. Caecuber, Chier und natürlich der Falerner.

Vom Geschmack her bevorzugte man einen vinum dulce (süssen Wein) und einige der Spitzenlagen produzierten praedulce (ausserordentlich süss). Manch edler Wein kam in verschiedenen Geschmacksrichtungen vor. Dementsprechend gab es eine Fülle von Sorten (bislang kennt man etwa 185), die sich grob in vinum austerum (trocken), vinum tenue (vermutlich halbtrocken, eig. "dazwischenliegend") und vinum dulce (süss) einteilen lassen.

Als Massenartikel wurde Wein in die entlegendsten Winkel des Imperiums transportiert (allgemein in Amphoren, im Mittelmeerraum noch in Schläuchen, in Nordeuropa zusätzlich in Fässern - seit der hohen Kaiserzeit setzte übrigens ein Trend hin zum Weinfass ein.) und in dementsprechenden Mengen genossen. Als Beispiel mag das Militär dienen, wo etwa im Kastell Vindolanda in Britannien an einem Tag 73 modii (=635 Liter) an die 500 Mann starke Garnison ausgegeben wurde. Aus gesunken Handelsschiffen konnte man errechnen, dass im 1.Jh.v.Chr. nach Gallien jährlich 50.000 hl Wein aus Italien importiert wurde.

Aber nicht nur Legionäre und Bürger konsumierten Wein, auch die Sklaven hatten ein Anrecht darauf, wie selbst der gestrenge Cato berichtet. Ursprünglich galt für Frauen ein Weinverbot, da man davon ausging, er würde bei ihnen die Zügellosigkeit fördern - vlg. hierzu auch das ursprüngliche Kultverbot für Bacchus. Aber bereits in der späten Republik war es praktisch aufgehoben. In der Kaiserzeit konnten sie auf Gelagen mitzechen, ohne Aufsehen zu erregen. Als sich die Einwohner Roms einmal über steigende Weinpreise beim Kaiser empörten und staatliche Massnahmen wie beim Getreide forderten, bissen sie bei Augustus allerdings auf Granit. Er verwies auf die soeben fertiggestellten Aquädukte der Aqua Virgo und dass in Rom niemand Durst leiden müsse.

Wein wurde nur selten pur genossen; dies galt nämlich als Zeichen des Säufertums. Vielmehr haben die Römer den "Gspritzt'n" - wie es auf Österreichisch heisst - erfunden. Das Mischungsverhältnis schwankte je nach Vorliebe oder Wirt. Bei den überlieferten Verhältnissen (meist aus griechischen Quellen) dominieren: 2:5, 1:2, 1:3 und 1:4, sodass immer weit mehr Wasser als Wein verwendet wurde; 1:1 einzuschenken war schon etwas für die Saturnalien. Einige Völkerschaften ausserhalb Roms galten als Puristen, so die Thraker und die Skythen.

Bestellte man irgendwo Wein, bekam man ihn bereits mit Wasser vermischt. Dafür gab es auch noch einen profanen Grund: Viele Weine (vor allem gewürzte) wurden eingedickt gelagert. Pur hatte dieser Wein eine ölige Konsistenz und einen hohen Alkoholgehalt. Extra eingedickte, in sirupartigen Zustand gebrachte Lagerweine (zum aufspritzen oder als Gewürz verwendet) konnten unter optimalen Voraussetzungen einen maximalen Alkoholgehalt von 16-18 % erreichen.

In den beiden ersten Jahrhunderten n.Chr. war Wein wirklich zu einem Massenartikel geworden, den sich jeder leisten konnte. In Pompeji kostete ein Becher gewöhnlicher Wein 1 As, von besserer Qualität 2 Asse und der Falerner 4 Asse. Tresterwein war noch weitaus billiger. Dies führte auch dazu, dass manche bereits am Morgen mit dem Konsum begannen und nicht erst zur cena.

Weine von hoher Qualität wurden nicht nur in Italien gekeltert. Durch die Verschiebungen im wirtschaftlichen Gefüge des Imperiums kam es zu Verlagerungen bei der Produktion. Im frühen 1.Jh.v.Chr. dominierten noch griechische Weine. Besonders jener aus Chios konnte auch später seine Stellung verteidigen (Der berühmte Redner Hortensius vermachte 50 v.Chr. seinen Erben gut 400 hl davon!). Gute italische Weine tauchten plötzlich auf und verdrängten rasch die meisten griechischen. Mamtertiner aus Silizien, Massiker, Caecuber und Albaner gehörten nun zu den Spitzenprodukten. Der herbe Setiner war der Lieblingswein des Augustus. Am Surrentiner schieden sich die Geister und die Kaiser Tiberius und Gaius hielten ihn für nichts anderes als einen edlen Essig. In den anderen Provinzen entwickelte sich der Weinbau parallel mit der Romanisierung, z.b. in Gallien und Germanien. Um den Heimmarkt zu schützen, brachten die italischen Händler Kaiser Domitian dazu, den Anbau von Edelsorten nördlich der Alpen zu unterbinden. Dies traf vor allem Pannonien, das auch heute noch exzellente Weine liefert. Erst Kaiser Probus hob dieses Verbot wieder auf.

In der späten Republik und dem 1.Jh.n.Chr. galt der bernsteinfarbene Falerner als der Spitzenwein schlechthin. In späteren Zeiten büsste er an Glanz ein, da mehr Quantität denn Qualität produziert wurde. Dieses aus dem Norden Campaniens stammende Wein (es gab ihn in mehreren Ausführungen von süss bis trocken) wurde schon von Horaz und Martial in höchsten Tönen gelobt. Als mittlere Reifezeit nahm man 15 Jahre an; manch eine Amphore wurde länger in den Kellern gelagert! Als bester Jahrgang der Antike galt der sogenannte Opimianer, ein Falerner, der unter dem Konsulat des Lucius Opimius 121 v.Chr. gekeltert worden war. Die damalige Ernte war nicht nur von ausserordentlicher Qualität, sondern es gab ihn auch in rauen Mengen, sodass einzelne Amphoren noch 200 Jahre später existierten (nach Plinius war der Wein nicht mehr geniessbar und schmeckte wie bitterer Honig).

Wie heute war es um die Haltbarkeit des Weins unterschiedlich bestellt. Qualitätsweine erreichten erst nach Jahren und manchmal Jahrzehnten ihre Reife. Spitzenreiter war hierbei der Surrentiner, welcher mindestens 25 Jahre reifen musste. Danach kamen Falerner und Albaner, die etwa 15 Jahre zu liegen hatten. Sabiner liess man 7 Jahre, Cumaner und Nomentaner gut 5 Jahre reifen. Die für einen gehobenen Massenkonsum produzierten Weine lagerten etwa 3 bis 4 Jahre; jedenfalls konnte man dies zahlreichen überlieferten Etiketten entnehmen.

Die meisten billigen Landweine hingegen waren für den schnellen Verbrauch bestimmt. Manchmal griff man zu Panschermethoden um das Gebräu zu stabilisieren. Überliefert ist übrigens die juristische Definition von "altem" Wein: alles was nach über einem Jahr noch einwandfrei zu geniessen war. Die meisten Weine schafften diese Frist nicht. Diese gekippten Moste nannte man vappa, der billigst unter die Leute gebracht wurde und oft für posca verwendet wurde.

Bevor man den Wein in die Amphoren oder anderen Behältnisse goss, verwendete man gerne resina (Harz) zur Verbesserung der Lagerfähigkeit. Der heute in Griechenland produzierte Retsina gehört nicht nur vom Namen her in die Kategorie vinum resinatum. Um einen ähnlichen Geschmack zu erzeugen, verwendete man auch Zypressenzweige, Fichtennadeln und Myrtenbeeren. Andere Beigaben konnten sein: Meerwasser und Bleizucker (d.i. giftiges Bleiacetat) für eine salzige resp. süssliche Note; Gips, geriebener Marmor und Ton zur Erhöhung des Säuregrades und schlussendlich konnte man Wein auch räuchern um ihm mehr Schwere zu geben.

Aromatites (Dessert- bzw. Gewürzweine) stellen sich die meisten Konsumenten und Wirte durch die Zugabe von in eigenen Rezepten angegebenen Gewürzen selbst her. Noch heute kann man an die 50 Rezepturen nachvollziehen. Mit Wermut versetzter Wein hiess absinthum, waren Rosenblätter darin so sprach man von rosatum, entsprechend mit Veilchenblättern violatum und mit Pfeffer versetzt conditum oder piperatum (wohl süsse und schärfere Variante). Daneben kamen noch Anis, Dille, Fenchel, Lorbeer, Minze, Pistazien und Wacholder zum Einsatz. Gewürzweine wurden in der Medizin geschätzt (z.B. Meerzwiebelwein gegen chronischen Husten) und fanden auch für die Parfümierung von Flüssigkeiten Verwendung. Kaiser Elagabal soll sogar sein Badewasser damit angereichert haben.

Besonders beliebt - weil als gesundheitsfördernd angesehen - war mulsum (Honigwein; neben Wein verwendete man übrigens auch Most). Im Mischungsverhältnis von 1 zu 4 bis 1 zu 10 wurde er nicht nur einfach so getrunken, sondern gerne mit Gewürzen versetzt oder mehrere Wochen in Tongebinden zwecks Gärung gelagert. Mulsum galt bereits damals als Aperitif. Als Kaiser Augustus einen gewissen Romilius Pollio, der 100 Jahre alt geworden war, zu einer Privataudienz einlud, fragte er ihn, wem er wohl seine körperliche und geistige Agilität verdanke. Pollio antwortete: "Innen dem mulsum und aussen dem Öl."

An heissen Tagen war eisgekühlter Wein beliebt (und entsprechend teuer), in kalten Nächten delektierte man sich an Glühwein. Wegen der oft verwendeten Gewürze, schenkte man Wein in der Regel nicht einfach aus einer Amphore in einen Becher, sondern liess ihn über ein Bronzesieb laufen, um diese groben Schwebstoffe und auch die Ablagerungen auszufiltern.

Bereits damals waren nicht alle Konsumenten - allen voran Plinius d.Ä. und Columella - mit all diesen "Verfeinerungsmethoden" einverstanden und pochten auf merum (unverfälschten, reinen Wein). Auch der gemeine Mann von der Strasse und sein weibliches Pendant schätzten ihn, wie aus zahlreichen Becherinschriften hervorgeht.

Neben posca (Essigwasser) konsumierte man auch lora, die im Gegensatz zu ersterem Getränk leicht alkoholisch war. Diesen Tresterwein stellte man her, indem Trester (= die Traubenreste nach der Weinpressung) mit Wasser versetzt wurde und nach einem Tag nochmals in die Weinpresse kam. Das Ergebnis war natürlich nur ein Weinersatz und schlug, falls nicht ehest möglich konsumiert in Essig um. Beim Militär karrte man den Trester herbei und machte sich das Gebräu selbst. Lagerung und Transport waren bekanntlich ausgeschlossen. War die lora zu Essig geworden, konnte man aus ihr immer noch posca herstellen. Plinius nannte die lora einen vinum operarium (Arbeiterwein). Die Sklaven von Cato erhielten drei Monate nach der Weinlese diesen Tresterwein, bevor sie sich am echten delektieren konnten.

Bei all den vielen Varianten kamen natürlich betrügerische Zeitgenossen auf die Idee Wein zu panschen. Plinius war sogar der Meinung, die bekannten Sorten würden kaum noch Wein enthalten. Columella sah in reinem, lagerfähigem Wein ohne Zusätze das grösste Qualitätskriterium. Als Panscherhochburg galt übrigens Gallien, von wo besonders viele Klagen über Verfälschungen bekannt sind. Manche Panscherei führte so nebenbei zur Entdeckung einer medizinischen Anwendbarkeit; z.B. als Abführmittel... Oft wurde nicht etwas zusammengebraut, sondern nur ein anderes Herkunftsetikett auf die Amphoren angebracht. Besonders Opianerwein wurde gerne gefälscht.

Neben dem klassischen Rebensaft kannte man bereits Most aus diversen Früchten, wie Äpfel, Birnen, Datteln, Granatäpfeln oder Quitten. Dabei handelte es sich immer um Regionalprodukte, die nicht in grossem Umfang exportiert wurden. Oft diente der Most nicht kulinarischen Genüssen, sondern wurde schlichtweg in der Heilkunst verwendet.

Hochprozentiges, also Branntwein, dürfte den Römern unbekannt gewesen sein. Zwar gibt es Darstellungen aus Mesopotamien um 3.500 v.Chr., die eine Art hölzernen Destillierkolben zeigen und auch die Ägypter hatten im 5.Jh.v.Chr. etwas ähnliches in Stein gemeisselt, doch fehlte überall die Kondensiereinrichtung. So ist davon auszugehen, dass diese Vorrichtungen lediglich zur Luftverbesserung durch die Verdampfung von alkoholhaltigen Duftessenzen diente. Die ersten Vorläufer des Branntweins tauchten bei den asiatischen Steppenvölkern auf, die eine Art von Milchschnaps herstellten. Im 9.Jh.n.Chr. wurde die Branntweingewinnung erstmals von den Arabern beschrieben. Die Endprodukte hatten aber vor allem medizinische Bedeutung. In Europa ist die Herstellung von Aqua ardens ("brennendes Wasser"; vgl. dazu "Feuerwasser") erst um 1100 schriftlich bezeugt. Dass sich dann rasch zahlreiche trinkbare Sorten daraus entwickelten, ist vor allem der Iatrochemie (die Alchemie suchte im Mittelalter nach Gold, die Iatrochemie nach den perfekten Heilmitteln) zu verdanken.

Diverse Amphoren aus der Kaiserzeit. Die bauchige Amphore im Vordergrund wurde speziell für Olivenöl verwendet.


Quellen: K.-W.Weeber "Alltag im alten Rom" & "Die Weinkultur der Römer", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer"

 

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(PL)