Version LX

GEOGRAFIE
Provinzen


GEOGRAFIE
VORGESCHICHTE
VERWALTUNG
MILITÄR
WIRTSCHAFT
RELIGION
NACHFOLGER

zurück zum
Provinzindex

zurück zur
geografischen Übersicht

zurück zum Index

Provinz Britannia

Der endgültige Rückzug Roms

Der Abzug römischer Truppen erfolgte im wesentlichen aus zweierlei Gründen. Erstens waren andere Grenzen des Römischen Reiches stärker bedroht und zweitens verwendeten Usurpatoren sie für eigenen Zwecke. Die letzte Militäroperation, die noch von Rom aus gesteuert worden war, ereignete sich 401, als Stilicho, der germanische Söldnerführer in römischen Diensten, eine Seeoperation befehligte. Bereits neun Jahre später musste Kaiser Honorius den Einwohnern Britanniens mitteilen, dass er keine Truppen zur Unterstützung ihrer Abwehrkämpfe gegen die Sachsen mehr entsenden könne.

Der Kampf um das römische Erbe

Die Verwaltungsstrukturen blieben allerdings auch ohne die formelle Oberhoheit Roms noch intakt, was vor allem auf die keltisch-römischen Adelskreise zurückzuführen war, die von diesem System profitierten. Auch die Verteidigung mittels lokaler Milizen und die Eingliederung germanischer Söldner funktionierte. Beides führte zu lokalen Herrschern von britisch-römischem Gepräge. Damit verblieb Britannien trotz der nun fragmentierten Herrschaftsverhältnisse unter lokalen Stammesführern noch einige Zeit kulturell und vielleicht auch politisch mit dem kollabierenden Weströmischen Reich verbunden.

Einige der Stammesführer hatten mit dem kulturellen Erbe nichts am Hut und versuchten die Oberhoheit - wenn schon nicht über die Insel, so doch über ihre Nachbarn - zu erlangen. Wenige ihrer Namen haben sich erhalten: Cunomaglus, Cradlemas und Vortiporix. Ein Mann stach jedoch hervor: Vortigern (wobei nicht klar ist, ob es sich um einen Namen oder um einen Titel "grosser Herr" handelt). 425 erklärte er sich einseitig zum Hochkönig von Britannien und erhielt Zulauf mit dem Versprechen alles Römische auf der Insel zu vertilgen. Seine Kriegszüge sorgten dafür, dass um 450 die alte Provinzverwaltung fast vollständig zusammengebrochen war.

In dieser Zeit machten sich Angeln, Fiesen, Jüten und Sachsen (sie kamen als erstes in drei Langschiffen) sowie eine kleinere Anzahl von Franken und slawischen Wenden auf, um die Farmländer des südlichen Britanniens in Besitz zu nehmen. So kamen nicht nur Krieger und Plünderer, sondern auch Händler und Bauern auf die Insel. Anfangs waren Teile der Stämme von Vortigern zur Abwehr von Picten und Scoten zu Hilfe gerufen worden. Doch wollten jene, die dem Hilferuf gefolgt waren, nicht mehr in ihre Heimatländer zurückkehren.

Nach der erfolgreichen Abwehr der nördlichen Feinde waren die Einheimischen den nunmehrigen Invasoren nicht gewachsen. Sie nahmen sich mehr als das versprochene Land und das schwindende Ansehen Vortigerns nötigte ihn zur Flucht. Sein bei den Britanniern angesehener Sohn Vortimer stellte nun eine Armee auf und zog gegen die Sachsen zu Felde. Sein Kriegszug war so erfolgreich, dass er vermutlich von einem sächsischen Spion vergiftet wurde, um die Sache der Invasoren zu retten. Nun trat Vortigern wieder auf den Plan und überzeugte die Stammesführer zu einem Treffen mit den Sachsen über die Aushandlung eines Friedens zu kommen. Die Invasoren nutzten diese Zusammenkunft jedoch, um sich der britannischen Führungsschicht zu entledigen: Sie ermordeten alle Anwesenden bis auf Vortigern in der sog. "Nacht der langen Messer". Wohl nach der Zahlung eines Lösegeldes musste er nach Wales flüchten, wo er vermutlich bei einem Brand umkam, wenn auch seine Leiche nicht gefunden wurde.

Die Macht ging nun auf eine Versammlung von lokalen Lords über, die unter der Führung von Ambrosius Aurelianus, genannt "der letzte Römer", zusammenfanden. Er dürfte der Sohn einer keltischen Prinzessin und eines hohen römischen Provinzbeamten gewesen sein und alleine der Name zeugt von seinen Ambitionen den Geist des Imperiums hochzuhalten. Das Strassennetz wurde instandgehalten und es scheint sogar ein stehendes Heer gegeben zu haben, das dieses auch verteidigte. Die römische Zivilverwaltung konnte damit nochmals mehr als 50 Jahre am Leben erhalten werden und sicherte eine gerechte Verteilung der Bodenerträge. Auch kam nun wieder der Handel mit dem Festland in Schwung und brachte ersehnte Luxusartikel wie hochwertige Keramik, Olivenöl & Wein ins Land.

Die Artussage

Iren, Schotten und Sachsen konnten in zwölf Schlachten bis ca. 515 besiegt werden. Zum Held dieser Auseinandersetzungen wurde ein Mann, der den römischen Titel dux bellorum (Kriegsführer) trug und mit Namen Artus hiess. Mehr ist über den Mann kaum bekannt, der vermutlich bis 545 gelebt haben dürfte und die militärische Stütze von Ambrosius Aurelianus war.

Artus hatte seine Siege dem Einsatz von cataphracti (Panzerreitern) zu verdanken, die ihren Ursprung im Osten des Römischen Reiches hatten. Dazu gibt es eine interessante und plausible Theorie: unter Marcus Aurelius hatten die Römer die Sarmaten besiegt und ein grosses Kontingent ihrer Panzerreiter in Britannien stationiert. In das neue Land nahmen sie ihre Bräuche, Gottheiten und Traditionen mit.

Eine ihrer Garnisonen lag in Camboglanna (Camlan), das vielleicht nicht ganz zufällig ähnlich wie "Camelot" klingt. Dort übten sie auch ihre Religion aus, in der u.a. ein in einem Stein steckendes Schwert verehrt wurde. Der Schwertname Excalibur (in älteren Quellen: Caliburn) stammt denn auch aus lat. chalybus (Stahl) und eburnus (elfenbeinweiss) her und bezeichnet den besten Stahl der Antike aus dem Gebiet der sarmatisch-kaukasischen Kalyben.

Um die Sache noch perfekter zu machen lautet der Name des Präfekten des legio VI victrix , in dessen Verantwortung im 2.Jh.n.Chr. auch die sarmatischen Hilfstruppen fielen: Lucius Artorius Castus. Er scheint, als hätte er die Traditionen der Sarmaten besonders gefördert; u.a. die Verwendung des draco (windsackartiges Feldzeichen mit Drachenkopf, das beim Reiten ein brüllendes Geräusch von sich gegeben haben soll). So erinnerten sich die Britannier noch lange an die wilden Sarmaten und ihren Kommandanten, denn erst ihr Abzug hatte die Provinz wirklich militärisch entblösst. So könnte die Artussage entstanden sein: Artus nennt sich nach Artorius, Artus militärischer Stab wird zur Tafelrunde, aus dem draco wird das Drachenbanner, aus dem sarmatischen Kult Excalibur und aus Camboglanna Camelot.

Nach Artus Tod konnte den mittlerweile teilweise sesshaft gewordenen Invasoren kein wirksamer Widerstand mehr geleistet werden. Dies könnte im Zusammenhang mit der Justinianischen Pest stehen, die auch in Britannien ihre Opfer forderte. Die Sachsen schoben ihre Gebiete erneut westwärts (vgl. hierzu das Vordringen der Araber im Byzantinischen Reich) und gelangten in den Besitz des besten britischen Farmlandes in Devon und Somerset.

Die Einheimischen wichen nach Wales, Cornwall und auch Schottland aus. Einige machten das Gegenteil der Eindringlinge. Sie verliessen die Insel in Richtung Gallien und siedelten sich dort in der heutigen Bretagne (daher der Name!) an. Die Sage von der Insel Avalon geht ebenfalls auf diese Vertreibung zurück. Die römische Kultur ging mit der Entvölkerung der Städte rasch unter. Die neuen Einwohner nutzten die vielen Landvillen und mieden die grossen Ansiedlungen. Lediglich militärische Bauten dürften auch in dieser Zeit weiter bewohnt gewesen sein.

Aus den Britanniern werden Briten 

Mit Offas Dyke (eine Wallanlage errichtet unter König Offa von Mercia, 757 bis 796) wurde Wales vom übrigen England abgegrenzt. Die dort ansässigen keltischen Kymren vermischten sich mit den Fliehenden und bildeten rivalisierende Fürstentümer, die erst um 900 unter angelsächsische (ab 1171 unter englische) Oberhoheit gerieten.

Wie Wales und Schottland war auch Cornwall seit dem 6.Jh.n.Chr. ein Rückzugsgebiet für Kelten und geflohene Briten. 823 kam der Südwestzipfel der britischen Insel unter Egbert von Wessex in angelsächsische Abhängigkeit.

In Schottland siedelten sich die Flüchtenden bei Strathclyde an. Im Südosten von Scotia (lat. Name erst seit dem 10.Jh. in Gebrauch) setzten sich die Angeln fest. Im 9.Jh. eroberten die Skoten das Reich der Pikten und gründeten das Königreich Alban. Im Laufe des 10.Jh. eroberte dieses ganz Schottland. Die einfallenden Wikinger prägten seit dieser Zeit ebenfalls stark die Entwicklung des nördlichen Teils der Insel.

Die neuen Germanenstämme organisierten sich schnell in sieben Königreichen. Die Jüten hatten Kent, die Angeln Mercia, Northumbria und Ostanglia, die Sachsen Essex, Sussex und Wessex begründet. Der Bedeutendste Staat im 6.Jh. war Northumbria. Allmählich ging die Macht jedoch an Mercia über, das bis zum 8.Jh. sein Territorium ausdehnen konnte. Die im Südosten gelegenen Staaten schienen infolge ihrer geografischen Position nicht in der Lage gewesen zu sein, sich auszudehnen. Im 9.Jh. avancierte Wessex zur grössten Macht.

Im Jahre 793 wurde das Kloster Lindisfarne von den Wikingern geplündert. Damit begann für die Insel die Wikingerzeit. König Egbert von Wessex, der am Hofe von Karl d.Gr. aufgewachsen war, erlangte von 802 bis 839 die Oberhoheit über die angelsächsischen Königreiche. Seit 838 häuften sich die Einfälle von dänischen Wikingern. Bis 866 eroberten diese planmässig von London aus den Ostteil der britischen Insel. Das von ihnen besiedelte Land hiess Danelag und wurde von den "fünf Burgen", Derby, Leicester, Lincoln, Nottingham und Stamford beherrscht. Northumbria fiel 876 in die Hand der Dänen. Um 700 hatten die Dänen die Shetlandinseln und um 800 sowohl die Orkneys als auch die Faröerinseln besiedelt.

König Alfred d.Gr. von Wessex organisierte Verteidigung und Widerstand durch die Anlage von Burgen und den Bau einer Flotte. Nach mehreren Siegen über die Dänen, konnten sie endgültig 937 vertrieben werden. Die Lage blieb in den folgenden Jahrzehnten unruhig. Knut d.Gr. wurde 1016 zum König von England gewählt, der die Insel als Basis für sein Nordseereich benutzte, die staatliche Einheit aber vorübergehend aufgab (Errichtung neuer Herzogtümer).

Edward der Bekenner geriet wegen der Errichtung einer mit francophilen Normannen besetzten Zentralverwaltung in Konflikt mit den nationalistisch ausgerichteten Angelsachsen unter Earl Godwin von Essex. Nach Edwards Tod wurde Godwins Sohn Harald zum König gewählt. Er besiegte die Norweger bei Stamfordbridge, wurde jedoch anschliessend in der Schlacht  von Hastings am 14.10.1066 von einem angelandeten Heer des Herzogs Wilhelm von der Normandie geschlagen. Als Wilhelm der Eroberer unterwarf er bis 1071 alle Kleinstaaten und legte damit den Grundstein für das moderne England.

rombau.gif (22885 Byte)

Auch Rom wurde nicht an einem Tag erbaut.



Quellen: H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", F.M.Ausbüttel "Die Verwaltung des Römischen Kaiserreiches", W.Eck "Die Verwaltung des Römischen Reiches in der Hohen Kaiserzeit", F.DeMartino, "Wirtschaftsgeschichte des alten Rom", T.Bechert "Die Provinzen des Römischen Reiches", J.Matthews "King Arthur", "Der kleine Pauly"

 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)