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SYBARIS

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Sybaris (Cassana allo Ionio in Italien)

Eine reiche Handelsstadt ohne viel Politik

Die nach dem Fluss Sybaris (Coscile) benannte Stadt wurde von eingewanderten Achaiern und Troizenern im Jahre 720 v.Chr. wenige Kilometer landeinwärts am Golf von Tarent zwischen den Flüssen Sybaris und Crathis (Crati) als eine der ersten griechischen Kolonien in dieser Region gegründet. Der Anführer der Kolonisten soll aus Helice in Achaia gestammt haben. Spätere Generationen erdichteten einen Stammbaum bis auf den Helden Ajax hinunter. Der Fluss Sybaris soll der Sage nach von den Kolonisten nach einer mythischen Quelle bei Bura in Achaia benannt worden sein, die Pferde zahm machen konnte, wenn sie aus ihr getrunken hatten.

Durch kluge Zuwanderungspolitik - Einwanderer erhielten leicht Zugang zum Bürgerrecht - erfolgte ein stetiger Zuwachs an Bevölkerung und eine entsprechende Ausdehnung an Territorium im 6.Jh.v.Chr. Schliesslich übte Sybaris die Oberhoheit über 25 Städte sowie 4 einheimische Völker aus. Von ihr aus wurden auch die Pflanzstädte Laos, Metapont, Poseidonia und Skidros gegründet. Die überlieferte Zahl von 300.000 wehrfähigen Bürgern ist mit Sicherheit um Kategorien übertrieben. Sollte die Zahl von 5000 Reitern zutreffen, die bei religiösen Zeremonien aufgeboten werden konnten, so wäre die Stadt im Verhältnis immer noch vier Mal grösser gewesen als Athen.

Das unerwartet rasche Ende von Sybaris

Den politischen und ökonomischen Höhepunkt dürfte Sybaris in der ersten Hälfte des 6.Jh.v.Chr. erreicht haben. Danach scheint es zu inneren Streitigkeiten gekommen zu sein, ohne dass Details hierüber der Nachwelt überliefert wurden. Politische Nachrichten aus der Stadt gab es so für lange Zeit nicht, was sich jedoch 510 v.Chr. schlagartig ändern sollte.

In diesem Jahr kam es unter dem Demagogen Telys - Anführer der demokratischen Fraktion - zu einem Aufstand der Bürger, dem Sturz der bisherigen oligarchischen Ordnung und Einführung der Tyrannis. Die reichsten Bürger wurden enteignet und auf die Strasse gesetzt, um sie dem Mob auszuliefern. Diese flüchteten jedoch geschlossen nach Kroton und baten dort um Aufnahme. Daraufhin forderte Telys, der nunmehrige Tyrann der Stadt, die Auslieferung der Geflüchteten und drohte gegebenenfalls mit Krieg. Was die Massen von Sybaris vielleicht begeisterte, verwirrte die Krotoner. Sie waren unschlüssig ob des weiteren Vorgehens, da man die überlegene Heeresmacht von Sybaris und seinen nahen Verbündeten fürchtete. Schlussendlich wurden sie vom Gelehrten Pythagoras dazu überredet den Flüchtlingen Schutz und Schirm zugewähren und damit das Ultimatum zurückzuweisen.

Daraufhin setzte Telys sein Heer in Marsch und trafen am Fluss Traeis auf die nur ein Drittel so grosse Armee von Kroton. Die meisten von Athenaios überlieferten Details zur Kriegsführung dürften übertrieben sein, zumal sie sich hauptsächlich auf die religiöse Sphäre beziehen. Die Tötung von 30 Krotonischen Gesandten und deren Leichenschändung führten erneut zu einem Aufstand in der Stadt und zum Sturz von Telys und der Ermordung seiner Anhänger. Dennoch wurde der Krieg fortgesetzt und nach 70 Tagen gewannen die Krotoner endgültig die Oberhand. 

Nach dem Krieg behaupteten die Sybarer ihre Gegner wären von Spartanern unter Dorieus unterstützt worden. Eine nette Anekdote stellt jener Bericht dar, wonach die sybarischen Pferde trainiert waren bei Umzügen nach der Flöte zu tanzen und die Krotoner Pfeifer einsetzten um Verwirrung zu stiften.

Im Gemisch aus Rache, Frevelsühne und Wirtschaftsneid wurde beschlossen die Stadt zu verwüsten und ihre Einwohner zu vertreiben. Um den Platz unbewohnbar zu machen, leiteten sie den Fluss Crathis (Crati) durch die Stadt, damit dieser die brandgeschatzten Ruinen für immer begraben sollte. Die meisten Bewohner flohen in die alten sybarischen Kolonien, allen voran Laos und Skidros.

Neugründung an anderem Ort mit anderem Namen

Ein Versuch einer Wiederherstellung der Stadt wurde 476 v.Chr. schon im Ansatz vereitelt. Die Sybarer erwiesen sich allerdings als viel zäher als von vielen angenommen und wagten 452/453 v.Chr. mit Hilfe ihrer alten Kolonie Poseidonia und unter thessalischer Führung erneut die Stadtgründung. Bereits nach fünf Jahren war dieses Experiment wegen Erfolges wiederum durch die Krotoner beendet.

Die Sybarer mussten erneut flüchten und wandten sich an Sparta, das jedoch kein Interesse an einem Engagement in Italien zeigte. Gehör fanden sie daraufhin bei Perikles in Athen, der eine gemischte Gruppe zusammenstellen liess. So konnten die Siedler am Fluss Traeis 443 v.Chr. sich endlich wieder dauerhaft niederlassen. Nach Streitigkeiten mit den Sybarern wurden diese vertrieben und die Stadt in Thurioi umbenannt.

Der alte Siedlungsraum wurde vollkommen vom Fluss Crathis eingenommen und mangels Bewirtschaftung entwickelte sich eine sumpfige, malariaverseuchte Gegend, die in römischer Zeit nur von Büffeln beheimatet war. Erhalten blieb jedoch das sybarische Getreide, das noch Varro in höchsten Tönen für seine hohe Körnerproduktion loben sollte.

Wirtschaft

Trotz des Mankos keinen geeigneten Hafen zu besitzen, konnte sich Sybaris durch seine Lage in einer äusserst fruchtbaren Gegend rasch zu einem Anziehungspunkt für Kolonisten entwickeln. Damit einher ging ein rasche Aufstieg des Handels. Enge wirtschaftliche Verflechtungen gab es mit Eturien, Ionien und vor allem der Stadt Miletus, von wo man bevorzugt Wolle, Tuche und Kleidung bezog. Wie die meisten anderen Griechenstädte prägte auch Sybaris eigene Münzen mit dem Stier als bevorzugtem Emblem.

Religion

Wichtigstes Heiligtum scheint jenes der Hera gewesen zu sein, das vom antiken Schriftsteller Athenaios erwähnt wurde. Da man anderen bedeutenden Griechenstädten um nichts nachstehen wollte, leistete sich Sybaris in Olympia ein Schatzhaus. Eine Votivgabe des Alcimenes von Sybaris an die Göttin Hera - eine kunstvoll verzierte Robe - soll nach der späteren Erbeutung durch Dionysius von Syracusae von diesem für 120 Talente verkauft worden sein. Nach dem Untergang von Sybaris sahen die anderen Griechenstädte dies als Strafe für das frevelhafte Verhalten und die Genusssucht an.

Das Zerrbild von Sybaris in der Geschichte

Die offensive Handelspolitik sorgte für einen sich stets vermehrenden Reichtum in Sybaris, was von den Nachbarstädten neidisch zur Kenntnis genommen werden musste. Wohl darauf basiert die Spottbezeichnung Sybaritismus für das Frönen eines luxuriösen Lebensstils. Der Historiker Herodot nannte mit Smindyrides jenen Mann, der von allen Sybarern der reichste und protzigste gewesen sein soll mit tausend Sklaven in seinem Besitz.

Bis in die Neuzeit heilt sich der Begriff Sybarit für einen in Luxus schwelgenden Weichling. Dem Schlaraffenland ähnliche Zustände sowie Schildbürgerverhalten beschrieben diverse Dichter in den logoi Sybaritikoi (sybarische Geschichten) und machten das Zerrbild im 5.Jh.v.Chr. damit umso populärer, je weniger nachweisbare Nachrichten aus der Stadt kamen; was für die Antike nichts anderes hiess: man beteiligte sich nicht an Kriegen und wollte sich von innen heraus entwickeln. Aus diesem Verständnis heraus ist auch zu erklären, dass man den Sybarern nachsagte reiseunlustig zu sein. Viele Bewohner sollen sich gerühmt haben, die Stadt nie verlassen zu haben.

Den Sybarern schrieb man die Erfindung einiger Dinge zu, über die man wohl ansonsten nicht berichtet hätte, da sie als zu "weichlich" galten. Dies waren die private Badewannen, der (Prunk)nachttopf - anekdotisch nahmen ihn die Sybarer mit auf Bankette -, die erste einfache Strassenbeleuchtung der Geschichte und in der Gesetzgebung Lärmschutzvorschriften. Alle lauten Handwerksbetriebe waren vor die Stadt verbannt worden und sogar Hähne durften in der Stadt nicht gehalten werden.

Mit zum Zerrbild von Sybaris gehört deren weitgehender Boykott der Olymischen Spiele. Mit Philytas stellte die Stadt lediglich einmal einen Sieger bei den 41. Spielen und das auch nur im Faustkampf der Knaben. Fortan versuchte Sybaris eigene Spiele auszurichten und zwar als bewusste Gegenveranstaltung zu den Olympischen. Um Athleten anzuziehen wurden teils astronomische Siegesprämien ausgesetzt. Was von den antiken Schriftstellern als hochmütiges Verhalten gewertet wurde, war wohl eher eine Trotzreaktion auf das ungewünschte Bild in der griechischen Welt.

Auch Sybaris wurde nicht an einem Tag erbaut.


Quellen: "Der kleine Pauly", en.wikipedia.org
 

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(PL)