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VEIOVIS

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Veiovis

auch Vediovis; Der Gott gehört zu den relativ unbekannten Göttern der römischen Pantheons. Alleine sein Name gibt bereits Rätsel auf. Die Vorsilbe ve- wird im Lateinischen zur Bildung von gegenteiligen Ausdrücken verwendet. So ist etwa vesanus (ungesund) das Gegenteil von sanus (gesund). Folglich bedeutet sein Name in etwa "Nichtiuppiter". Allerdings ist die Vorsilbe hier nicht ganz so zu gebrauchen, wie etwa in der christlichen Religion Anti- (Christ, Antichrist).

Die äussere Erscheinung der beiden ist auch unterschiedlich. Im Gegensatz zu Iuppiter ist Veiovis jung und ohne Bart. Man könnte ihn beinahe mit Apollo verwechseln. Bereits Cicero scheiterte an einer logischen Herleitung des Gottes. Der Grammatiker Verrius Flaccus hatte jedoch einen Einfall. Er sah in Veiovis einen "kleinen Iuppiter" und brachte die Kindheit des Zeus ins Spiel. So wie das Jesuskind mit Christus, sollte Veiovis mit Iuppiter ident sein. Die Idee schien plausibel und bekannte Schriftsteller wie Livius und Ovid folgten ihr. Sie hat nur den Schönheitsfehler, dass sie nicht stimmt. Die Idee stammte aus einer Zeit, in der die römische Religion schon sehr mit griechischer Mythologie durchwachsen war. Die alte römische Religion kannte keine Göttergeburten und folglich auch keine Kindgötter.

Das Attribut des Veiovis war die Ziege. Sie wurde dem Gott seit Urzeiten als Opfer dargebracht. Bereits Aulus Gelius hat dies zur mittleren römischen Kaiserzeit erkannt. Da die Ziege auch den Manen (=Totengeister) geopfert wurde, war sie dem flamen Dialis verboten; nicht einmal das Wort capra (=Ziege) durfte er aussprechen. Ein weiteres Attribut waren die sagittae (= Pfeile), die ein schädigendes Numen (im Gegensatz zu Iuppiters positiv belegten Blitzen) darstellten. Die Pfeile wurden vom Gott mit der Hand und ohne Bogen verschossen.

Das Kultbild, über das sich Aulus Gelius den Kopf zerbrach, kann mit einiger Sicherheit als jenes identifiziert werden, das 1939 an den ursprünglich bewaldeten Hängen des Kapitols ausgegraben wurde. Dort stand der Überlieferung nach ein junger Gott mit langen Locken in nackter Gestalt, lediglich einen Mantel über Arm und Schulter geschwungen. Kopf und die Pfeile tragende Hand haben die Zeit leider nicht überdauert. Die Statue war um 100 n.Chr. ein Ersatz für ein Kultbild aus Zypressenholz, das vermutlich beim Brand des Capitols im Jahre 80 n.Chr. beschädigt worden war.

Die Statue stand in einem Tempel der am 7. März 192 v.Chr. eingeweiht worden war. Vorher hatte an der gleichen Stelle bereits eine Opferstelle des Veiovis seinen Platz. Der Kult dürfte bereits im archaischen Rom ausgeübt worden sein, da sein Fest in den ältesten Kalendern auftaucht.

Eine alte Kalenderinschrift für den 7. März gibt hierbei ein weiteres Rätsel auf, da dem Gott das Wort artis vorangestellt worden war.  Möglicherweise handelt es sich um eine Partnergottheit mit Namen Ars (=Kunst, Geschicklichkeit). Vom Kult einer solchen Gottheit wissen wir nichts, doch ist auch Mens (=Vernunft) in der gleichen Epoche mit Venus ein Doppelheiligtum erhalten hatte, nur äusserst spärlich überliefert. Die Verehrung solcher abstrakter Begriffe als Numina war für die Zeit der mittleren Republik typisch und Doppelheiligtümer bezeichnend für den römischen Religionstypus.

Auch auf der Tiberinsel gab es einen Tempel für Veiovis der in direktem Zusammenhang mit dem des Aesculapius stand und mit dem 1. Jänner sogar den gleichen Einweihungstag hatte. (Der Äskulaptempel ist allerdings hundert Jahre älter.) Wenn also Ars die Partnerin des Veiovis war, so wie sie als Heilkunst für Aesculapius fungierte, kann eine ähnliche Funktion für diesen Gott angenommen werden.

Bereits in griechischer Vorstellung konnte etwa Apollo "sanfte Pfeile" verschiessen um ein Leben (vor allem in hohem Alter) sanft und schmerzlos zu beenden. So könnte es sein, dass auch Veiovis diese Fähigkeit zukam. So brachten die Pfeile zwar den Tod, doch einen ohne Schmerz und Qual.

Die Sterbehilfe bei Krankheit fiel Aesculapius samt seinen Helfern zu. Die Beendigung des Lebens wenn die Zeit zum Sterben gekommen ist, war die Sache des Veiovis. So ergibt die Verbindung zwischen Heilbringendem und Todbringendem Sinn. In Griechenland hatten Askleipos und Apollon samt Artemis diese Funktionen über. Apollo und Diana waren in Italien mit anderen Funktionen betraut worden und so erfüllte Veiovis ihre Aufgabe.

Neben den beiden Festen am 1. Jänner und am 7. März gab es ein drittes Fest für ihn am 21. Mai, das wohl das älteste der drei ist. Es hiess - wie so viele Feste aus archaischer Zeit - Agonalia (von altlat. agonia für Opfertier). Mit Sicherheit kann die Ziege als Opfer angenommen werden.

In Bovillae, der Nachfolgerstadt von Alba Longa, fand man einen Altar des Veiovis aus der Zeit um 100 v.Chr. Angehörige der gens Iulia hatten ihn errichtet. So gehörte der Gott zu den Penaten des Iulius Caesar. Octavian übernahm ihn mit der Adoption. Als Augustus machte er Apollo zum eigenen Hauptgott und Veiovis wies ihm dabei den Weg. Im Laufe der Zeit verschmolzen beide miteinander. So ist auch bezeichnend, dass Augustus am Vortag zum Fest des Veiovis am 7. März des Jahres 12 v.Chr. die Würde des pontifex maximus annahm.

Kultstatue des Gottes Veiovis um 100 v.Chr.
ex libro E.Simon "Die Götter der Römer"


Quellen: E.Simon "Die Götter der Römer"

 

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(PL)