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Provinz Germania inferior

Eroberung & Sicherung

Bei seiner Eroberung gehörte Niedergermanien zu Gallien. Caesar hatte die grosse Provinz zwischen 58 und 51 v.Chr. erobert. Im nordöstlichen Gebiet machten ihm die Sueben zu schaffen, die auf der Suche nach geeigneten Siedlungsgebieten über den Rhein eingedrungen waren. Mehr als einmal musste Caesar den Fluss überqueren. Berühmt sind seine Brückenschläge der Jahre 55 und 53 v.Chr. im Neuwieder Becken. Beide Feldzüge wurden abgebrochen noch bevor der Gegner endgültig besiegt werden konnte. Die Gründe dafür lagen in Rom, in dessen Politik Caesar ständig einzugreifen gedachte um nicht Pompeius oder Cato die Macht zufallen zu lassen.

Für die Römer bildete der Rhein sowohl sprachlich als auch kulturell die natürliche Grenze zwischen den keltischen Galliern und den Germanen. Caesar war der erste, der die Unterschiede in beiden Kulturen hervorhob. Doch auch er wusste bereits, dass eine vollkommene Trennung nicht möglich war. Starke germanische Kontingente, wie die Eburonen, hatten schon lange linksrheinische Gebiete bewohnt. Sie bildeten immer einen Quell der Unruhe und Caesar befürchtete, sie könnten sich mit den benachbarten Galliern gemeinsame Sache machen. Die Ausrottung der germanischen Völkerschaften links des Rheins war deshalb ein Anliegen, dass Caesar mit besonderer Brutalität verfolgte. Sogar im Senat in Rom war man ob dieses Genozids beunruhigt. Cato selbst hat einen Antrag auf Auslieferung Caesars an die Germanen eingebracht.

Caesar hatte von Anfang an vor, den römischen Machtbereich am Rhein enden zu lassen. Flüsse waren im geistig-religiösen Verständnis der Römer die idealen Grenzen. Auch politisch liessen sich die Kämpfe mit den Germanen links und rechts des Rheins perfekt ausnutzen in einer Zeit, da Pompeius im Osten des Reiches glorreiche Siege errang. Das Gebiet zwischen dem echten Gallien und dem Rhein sollte somit eine Pufferzone gegen eventuelle germanische Einfälle bilden. Erst Augustus richtete seine Augen bis an die Elbe.

Die letzten Widerstände wurde mit der Niederringung des Aufstandes von Vercingetorix 52/51 v.Chr. gebrochen. Die Gallier fügten sich der überlegenen römischen Militärmacht und assimilierten sich schnell in der neuen Kultur.

Das Grenzland hingegen blieb ausserhalb des überaus erfolgreichen Gesamtkonzeptes für Gallien. Es bildete ein Anhängsel, vergleichbar mit den frühmittelalterlichen Marken. Sieht man von Augustus und Marcus Aurelius ab, so blieb Rom an Rhein und oberer Donau immer in der Defensive. Das fehlende politische Konzept führte zu einer Kluft zwischen den Stämmen und hat schlussendlich zur Niederlage im Teuteburger Wald geführt.

Die Differenzen lagen vor allem im zivilisatorischen und psychologischen Bereich. Die Germanenstämme waren bei weitem nicht so homogen organisiert wie die Kelten. Es gab zwischen ihnen bedeutende kulturelle Entwicklungsunterschiede, vor allem nach Nord und Ost. Die linksrheinischen Germanen waren seit geraumer Zeit keltisiert worden. Im Mündungsgebiet des Rheins spürte man hingegen kaum etwas davon. Das Kulturgefälle entlang des Rheins machten sich die Römer schliesslich selbst. In rasanter Weise entwickelte sich ein Gefälle zwischen den rasch romanisierten Menschen links des Rheins und den traditionsbewussten Germanen diesseits des Flusses. Die Kluft ging durch zahlreiche Familien und erschwerte die Beziehungen enorm.

Die Germanen bildeten den Bürgerschreck der ersten nachchristlichen Jahrhunderte, denn sie hatten es geschafft (erstmals die Kimbern & Teutonen) das römische Selbstwertgefühl anzukratzen. Beutezüge einzelner Stämme blieben beinahe an der Tagesordnung und 17 oder 16 v.Chr. gelang den Sugambrern die Erbeutung eines Legionsadlers. Eine Schande für das römische Volk. Aber selbst dies verblasste hinter dem wahr gewordenen Schreckensszenario der Varusschlacht mit seinen 20.000 Toten und 3 verloren gegangenen Feldzeichen. Auch aus diesem psychologischen Dilemma ist die Germanenpolitik, die eigentlich keine war, zu verstehen.

Lediglich Augustus bemühte sich um eine langfristige Lösung. Wahrscheinlich im Zeichen der Niederlage des Statthalters Lollius 17 oder 16 v.Chr. liess er wohl von Agrippa, der 39/38 und 20/19 v.Chr. Statthalter Galliens war, ein Konzept zur Eingliederung der Germanen in den römischen Staatsverband ausarbeiten. Ziel war nun die Elbgrenze. Mit dem Tod Agrippas 12 v.Chr. ging die Leitung der Unternehmung auf Augustus’ Stiefsohn Drusus über. Gut dreissig Jahre sollte die Auseinandersetzung dauern und niemals zu einer direkten Herrschaft führen.

Nachdem Drusus 9 v.Chr. verunfallt war, kam das Kommando auf Tiberius, der in die Fussstapfen seines Bruders trat. Er setzte vor allem auf Verhandlung und Organisation, wusste aber auch mit aller Härte durchzugreifen. Die Sugambrer, ein Stamm der stets bei allen Unruhen an vorderster Front kämpfte, wurde von der politischen Landkarte getilgt; die kümmerlichen Reste links des Rheins angesiedelt.

Von 6 v.Chr. bis 4 n.Chr. herrschte weitgehend Ruhe an der Grenze und nur einmal begab sich Tiberius bis an die Elbe. Dann begann wieder eine Saison der Feldzüge und zahlreiche Stämme machten Bekanntschaft mit römischem Stahl. Im Jahre 6 n.Chr. galt das Gebiet als „befriedet“. Man machte sich bereits Hoffnung in späteren Jahren kräftig Tribut kassieren zu können.

Das Jahr 9 brachte aber die Wende. Tiberius’ Nachfolger Publius Qinctilius Varus handelte bereits als Statthalter und schoss bei der Organisation der neuen Provinz beträchtlich über das Ziel. Als Verwaltungsfachmann ging er von einer vollständig befriedeten Provinz aus. Der Aufstand des Arminius überraschte die Römer und nach der Ausradierung dreier Legionen stand das Imperium unter Schock. Schon sah man die barbarischen Horden - die gerade noch als loyale Untertanen eingestuft worden waren - in Gallien einfallen. Doch eine Folgekatastrophe blieb aus, was den lokalen Charakter des Aufstandes bezeugt.

In den folgenden Jahren sicherte Tiberius die Rheingrenze und liess sich durch Germanicus die Legionsadler wiederbeschaffen. Der Kaiser verfolgte nun wieder eine reine Grenzsicherungspolitik und überliess das Gebiet den Zwistigkeiten der Stämme untereinander. Neu war die Schaffung eines Niemandslandes rechterseits des Rheins um bei drohenden Überfällen ein besseres Aufmarschgebiet zu haben. Aber nicht alles rechtsrheinische Gebiet war verloren gegangen. Das Friesenland blieb bis in die Zeit von Kaiser Claudius unter römischer Hoheit.

Unter diesen Eindrücken machte die Germanisierung Niedergermaniens, aber auch des angrenzenden Belgiens nur geringe Fortschritte. Und kaum als die römische Militärpräsenz im Frühjahr 69 einmal nachgelassen hatte, nutzten dies zahlreiche Stämme zum Aufstand. Nach dem Abzug von 60.000 Mann in Richtung Italien durch Aulus Vitellius war praktisch kein Grenzschutz mehr gegeben. Nach kurzer Zeit waren alle Lager vom Mittelrhein bis an die Küste überrannt.

Zunächst tarnte sich der Führer des Aufstandes, Iulius Civilis, als Gefolgsmann Vespasians, doch nach dem Tod von Vitellius wurden seine wahren Absichten ruchbar. Er wollte ein eigenständiges Imperium Germaniarum et Galliarum schaffen. Im Jahre 70 trafen sich die Stammesführer in Agrippina (Köln/D) und berieten über das weitere Vorgehen. Man überschätzte allerdings die eigenen militärischen Kräfte und nachdem Vespasian sich im Reich Respekt verschafft hatte, brach der Aufstand in sich zusammen.

Der darauf folgende massvolle Friede entsprach wieder dem Geiste des Tiberius und Vespasian kümmerte sich rein um die Sicherung der Grenze. Man liess die Waffen nur dann sprechen, wenn die Diplomatie versagte. Mit ein Grund dafür war die Sparsamkeit des neuen Kaisers; denn Kriegführen kostete eine Menge Geld. Vespasian tauschte nach und nach die Truppenkontingente aus und sicherte sich so die Loyalität der Soldaten. Diese Ordnung sollte bis ins 3.Jh.n.Chr. massgeblich bleiben. Niedergermanien erlebte eine 200jährige Friedenszeit, die erst durch den Ansturm der Franken unter Valerian beendet wurde.

Kaiser Augustus bemühte sich um eine langfristige Lösung des "germanischen Problems".


 

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(PL)