Version LX

GEOGRAFIE
Provinzen


GEOGRAFIE
VORGESCHICHTE
EROBERUNG
VERWALTUNG
MILITÄR
WIRTSCHAFT
RELIGION
SPÄTANTIKE
NACHFOLGER

zurück zu den
germanischen Provinzen

zurück zum
Provinzindex

zurück zur
geografischen Übersicht

zurück zum Index

Provinz Germania inferior

Militär

Augustus konzentrierte nach der Niederlage im Teuteburger Wald zwischen Mogontiacum (Mainz/D) und Batavodurum (Nijmegen/NL) acht Legionen. Damit stand fast ein Drittel der römischen Militärmacht am Rhein. Vier dieser Legionen waren in Niedergermanien stationiert. Ihre Lager waren Vetera (Xanten-Birten/D) und „beim Altar der Ubier“ im Gebiet des heutigen Köln. Bis zum Jahre 16, als Tiberius seinen Neffen Germanicus von der Rheinfront zurückrief, stand auch in Batavodurum eine Legion. Auch das Lager beim Ubieraltar wurde schliesslich aufgegeben und die Einheiten nach Novaesium (Neuss/D) und Bonna (Bonn/D) verlegt.

Die Zahl der Truppen blieb auch nach dem Bataveraufstand der Jahre 69/70 konstant. Man löste lediglich das Doppellegionslager in Vetera auf und legte eine Legion wieder nach Batavodurum. Die Donaukriege Domitians waren äusserst verlustreich und so wurde die in Vetera stationierte Legion im Jahre 92 abgezogen. Trajan löste um 105 das Lager in Novaesium auf und schickte die Legion nach Vetera. Novaesium wurde zum reinen Hilfstruppenlager. Der friedliche innere Entwicklung führte schliesslich zur endgültigen Auflösung des Lagers von Batavodurum. Damit standen in Niedergermanien nur mehr zwei Legionen in Bonna (Bonn/D) und Vetera (Xanten-Birten/D).

Die Truppenkontingente hatten bis zum Beginn des 2.Jh.n.Chr. aus den unterschiedlichsten Gründen oft gewechselt. Für Niedergermanien sind folgende Legionen inschriftlich bezeugt:

Damit lässt sich der Exercitus Germanicus inferior (Truppenaufstellung von Niedergermanien) für etwa folgende Zeiten bestimmen:

  • 9 n.Chr.: XVII, XVIII (Vetera), XIX (Ara Ubiorum & in Haltern)

  • 16/17: I Germ (Ara Ubiorum)., V Alaudae (Vetera), XX Valeria Victrix (Ara Ubiorum), XXI Rapax (Vetera)

  • um 43: I Germanica (Ara Ubiorum, Bonna), V Alaudae (Vetera), XVI Gallica (Novaesium), XXI Rapax (Vetera)

  • um 69: I Germanica (Bonna), XVI Gallica (Novaesium), XV Primigenia (Vetera), XXI Rapax (Vetera)

  • um 71: II Adiutrix (Batavodurum, 70/71, dann ersetzt durch X Gemina), VI Victrix (Novaesium), XXI Rapax (Bonna)

  • um 83: I Minervia (Bonna), VI Victrix (Novaesium), X Gemina (Batavodurum), XXII Primigenia (Vetera, später Mogontiacum)

  • um 93: I Minervia (Bonna), VI Victrix (Vetera, unter Hadrian nach Britannien), X Gemina (Batavodurum, seit 104 in Aquincum)

  • um 119: I Minervia (Bonna), IX Hispania (für kurze Zeit um 121 in Batavodurum), XXX Ulpia Victrix (Vetera)

  • ab 217: I Minervia (Bonna), XXX Ulpia Victrix (Vetera)

Auch Hilfstruppen waren überaus zahlreich in der Provinz stationiert gewesen. In Summe kennt man 20 Alen und 34 Kohorten mit Namen. Meist trugen sie die Namen jener Völker unter denen sie ausgehoben wurden (z.B. Batavi, Cannanefates, Tungri, Ubii, etc.). Viele Einheiten wurden nicht für den lokalen Dienst, sondern für ausserhalb - vor allem Britannien - ausgehoben. Zur Zeit des Tiberius standen etwa 8 Alen und 30 Kohorten in der Provinz. Rechnet man noch die Legionen hinzu, dann kann man von einer Truppenstärke von ca. 38.000 Mann ausgehen. Die Grenzlinie erstreckte sich über etwa 320 km; folglich kamen auf den Kilometer gut 120 Soldaten.

Bis zum Bataveraufstand rekrutierten sich die Hilfstruppen hauptsächlich aus Germanen und Galliern. Ähnlich den Legionen wurden die Einheiten von Vespasian und seinen Nachfolgern fast völlig ausgetauscht. Unter Vespasian kennt man 6 Alen und 21 oder 22 Kohorten und unter Hadrian 6 Alen und 13 Kohorten. Zu Beginn des 3.Jh.n.Chr. waren es 7 Alen und etwa 15 Kohorten. Mit den 10.000 Legionären dürfte dies in Summe 21.000 Mann ausgemacht haben. Numeri - Hilfstruppen die sich direkt aus der Provinzbevölkerung rekrutierten - spielten in Niedergermanien eine untergeordnete Rolle. Man kenn lediglich vier dieser Einheiten (namentlich bekannt: Numerus Exploratorum Batavorum stationiert bei Leiden & Numerus Ursariensium in Quadriburgium), die erst im 3.Jh.n.Chr. nachweisbar sind. Folgende Alen sind bekannt:

  • Ala Afrorum (zw. Vespasian & Hadrian in Burginatium)

  • Ala Frontoniana (unter Tiberius in Bonna)

  • Ala Moesica (unter Domitian in Asciburgium)

  • Ala Noricorum (zw. Vespasian & Hadrian in Burginatium)

  • Ala Parthorum Veterana (unter Claudius in Novaesium)

  • Ala Sulpicia C.R. (unter Vespasian in Gelduba)

  • Ala I Thracum (nach 124 in Fectio)

  • Ala Tungrorum Frontoniana (in Asciburgium)

  • Ala Vocontiorum (zw. Vespasian & Hadrian in Burginatium)

  • namentlich nicht überlieferte Ala (unter Antoninus Pius in Harenatium)

Dazu kamen die nachstehend angeführten Kohorten:

  • Cohors Silaucensium (unter Tiberius in Bonna & Asciburgium)

  • Cohors I Classica P.F. Domitiana (89 bis 96 bei Vleuten-De Meern)

  • Cohors I Flavia Hispanorum Equitata P.F. (um 250 in Rigomagus, zu unbestimmter Zeit auch in Fectio)

  • Cohors I Lucensium Hispanorum P.F. (103/110 bei Leiden)

  • Cohors I Raetorum C.R. (unter Hadrian in Lugdunum)

  • Cohors I Thracum Equitata (unter Tiberius in Bonna, 70 bis 83 in Levefanum)

  • Cohors II Asturum (in flavischer Zeit bei Bodegraven)

  • Cohors II Britannorum Miliaria Equitata (in Fectio)

  • Cohors II Equitata C.R. P.F. (bis 275 in Carvium)

  • Cohors II Hispanorum Equitata (70 bis 116 in Mannaricium)

  • Cohors II Hispanorum Peditata P.F. (88 bis 260 in Traiectum)

  • Cohors II Thracorum Equitata (bis ca. 83 in Mannaricium)

  • Cohors II Varcianorum Equitata C.R. (um 69/70 in Rigomagus, unter Domitian in Gelduba)

  • Cohors III Breucorum (ab etwa 250 in Laurium)

  • Cohors III Gallorum Equitata (ab 70 in Praetorium Agrippinae)

  • Cohors III Lusitanorum (unter Claudius in Novaesium)

  • Cohors III Thracum Equitata (um 180 bis vielleicht 260 in Praetorium Agrippinae)

  • Cohors VI Breucorum (in flavischer Zeit in Albaniana)

  • Cohors VIII Breucorum (unter Claudius in Rigomagus)

  • Cohors XV Voluntariorum C.R. P.F. (70 bis um 250 in Laurium, zw. 200 und 205 auch bei Leiden nachgewiesen)

Wichtig hingegen war die Rheinflottille. Die Classica Germanica hatte ihre Flottenbasis südlich von Agrippina. Weitere Basen waren Fectio (Bunnik-Vechten/NL), Matilo (Leien-Roomburg/NL) und Lugdunum (Katwijk-Brittenburg/NL). Die Hauptaufgabe der Flussstreitkräfte bestand in der Gewährleistung der freien Schifffahrt auf dem Rhein und seiner Nebenflüsse. Daneben fungierte sie auch aus Logistikunternehmen grossen Stils. Der Statthalter konnte die Schiffe jederzeit für sich in Anspruch nehmen. Die Steine der Brüche des Brohltales im Siebengebirge wurden durch die Flotte transportiert. Auch lebensnotwendige Güter wie Getreide und Wein, die auf dem Landweg nur mühsam in ausreichenden Mengen fortbewegt werden konnten, wurden befördert. Da der Flottendienst bei den Römern nicht angesehen war, dienten vor allem Freigelassene bei den Fluss- und Seestreitkräften. Belegt wird dies durch zahlreiche griechische und orientalische Namen der Mannschaften.

Besonders bekannt für ihre internationalen Einsätze war die in Bonna stationierte Legio I Minervia, die nicht nur in den Dakerkriegen Trajans zum Einsatz kam, sondern auch in Parthien unter Lucius Verus und Caracalla. Auf einem Grabstein wird für die glückliche Heimkehr vom Fluss Alutus (Terek im Kaukasus) gedankt aber auch von schlechtem Kriegsglück und Verlusten durch die Pest berichtet.

Da Untergermanien eine Grenzprovinz war hatte sie an ihren äusseren Rändern betont militärischen Charakter. Am Augenscheinlichsten wurde dies durch die Anlage von Lagern für Legionen und Hilfstruppen, Stützpunkten, Wachtürmen und Wallanlagen. Der niedergermanische Limes wurde als Strassenweg wohl bereits von Agrippa im Jahre 20/19 v.Chr. geplant und war ursprünglich mit äusserst wenig Truppen besetzt. Die Lager entlang der Lippe wurden nach der Niederlage im Teuteburger Wald aufgegeben.

Der Limes an sich ist nicht in einem Stück geplant worden, sondern entstand schrittweise. Den Startschuss gab man um 16/17 n.Chr. ab, als klar wurde, dass der Rhein eine sichtbare Grenze werden würde. Die Grenzbefestigungen wurden allerdings nur sehr zögerlich ausgebaut. Unter Augustus existierten sieben, unter Tiberius zehn Anlagen. Einen Schub an Neubauten gab es unter Kaiser Claudius während der Vorbereitungen für seinen Britannienfeldzug. Nach dem Bataveraufstand mussten zahlreiche Kastelle ersetzt werden. Fertiggestellt war die Grenzsicherung unter Trajan, die sich auf etwa 30 Lager stützten konnte.

Angelegt wurden Stützpunkte gerne an Altarmen des Rheins, da so eine Versorgung per Schiff garantiert werden konnte. Gegenüber Flussmündungen liegende Punkte sollten die Einfallstore des freien Germanien kontrollieren. Die Lager etwas im Inneren der Provinz wurden wohl im Angesicht der Aufstände der Bataver und anderer Stämme errichtet. Auch der Schutz des Drusus- und Corbulokanals war wichtig.

Ergänzt wurden die fixen Truppenlager durch Wachtürme sowie Marsch- und Übungslager. Von letzteren sind wenigstens 60 bekannt! Der Niedergermanische Limes war eine reine Defensivanlage. Im Gegensatz zur Donau verzichtete man sogar auf vorgeschobene Militärposten. All dies genügte fast 250 Jahre den Anforderungen. Erst der Frankensturm von 256/257 zeigte die Schwächen der Verteidigung. Bis zu diesem Zeitpunkt war aber auf germanischer Seite auch kein ernsthafter Gegner gestanden.

Der Exercitus des spätantiken Untergermaniens ist leider nicht überliefert. Die beiden verbliebenen Legionen I Minervia und XXX Ulpia Victrix befanden sich aber noch in ihren angestammten Lagern. Da die militärischen Kommanden von den zivilen Aufgabenträgern getrennt worden waren, übte um 400 ein Dux Germaniae Primae den Oberbefehl über die Truppen der Provinz aus.

Kaiser Vespasian tauschte die Soldaten der Rheinarmee aus, um sich deren Loyalität sicher zu sein.


 

Sie wollen Fragen stellen, Anregungen liefern oder sich beschweren?
Dann klicken Sie auf meine Kontaktseite!

(PL)