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Die Freizeitanlagen in Pompeji

Das Amphitheater

Nach der nebenan liegenden grossen Palästra ist das Amphitheater - in lokalen Inschriften auch spectacula (eig. „Tribünen“) genannt - jenes Einzelbauwerk, das in Pompeji die grösste Fläche einnimmt. Errichtet wurde es unter den duumviri quinquennales (Bürgermeister mit besonderen Vorrechten) C.Quinctius Valgus und Marcus Porcius, die bereits als Bauherren des Odeions in Erscheinung getreten waren. Aufgrund der Ämterbezeichnungen geht man davon aus, dass das Amphitheater ein paar Jahre nach dem Odeion erbaut wurde und damit zu den ältesten steinernen Bauten für Gladiatorenspiele überhaupt zählt. Die erste derartige Anlage in Rom wurde beispielsweise erst 29 v.Chr. durch Statilius Taurus errichtet. Da die Spiele für Kampanien bereits für das 4.Jh.v.Chr. gesichert sind, wird vielleicht an dieser oder anderer Stelle einen bescheidenen hölzernen Vorgängerbau gegeben haben.

Der für die Errichtung eines solch grossen und wuchtigen Gebäudes gewählte Ort im Südosten der Stadt wurde von den Baumeistern sorgfältig gewählt. Zum einen war es noch ein lediger Grund, zum anderen konnte man die vorhandene Stadtmauer in den Bau einbeziehen, was sich kostensparend auswirken sollte. Um auch bei der Heranschaffung von Füllmaterial sparen zu können, legte man die Arena unter das allgemeine Strassenniveau und hatte damit ausreichend Aushub vor Ort zur Verfügung. Denn für die Nord- und Westseite mussten künstliche Terrassen und eine eigene Stützmauer mit 62 Pfeilern angelegt werden. Über die Mauer baute man Rundbogenarkaden mit einer umlaufenden Kalkmörtelterrasse, über welche bequem die summa cavea (obere Sitzreihen) erricht werden konnte. Die meisten Arkaden - ausser natürlich jenen, die dem Durchgang zur media bzw. ima cavea (mittlere bzw. untere Sitzreihen) dienten - mauerte man zu, was dem Bauwerk einen wuchtigen Charakter verlieh. Wie beim Odeion benutzte man opus reticulatum (Netzmauerwerk) als Bautechnik. Die Bögen bestanden hingegen aus Sarnokalk.

Panoramablick vom Zugang zu den oberen Reihen des Amphitheaters aus Richtung Palästra
e ludo computatrali "Pompei"

Die vermauerten Arkadenbögen dienten allerlei Händlern als Verkaufsstände und wurden - wie Inschriften belegen - auf Ansuchen beim Magistrat bewilligt. Eine dieser Inschriften lautete: Permissu aedilium Cn. Aninius Fortunatus occup(at). (Diesen Platz nimmt Gnaeus Aninius Fortunatus mit Erlaubnis der Aedilen ein.)

Vier angebaute Treppen (davon zwei mit doppelten Rampen) sorgten für den Zugang auf die obere umlaufende, ca. 8 m breite Terrasse. Darüber brachte man 40 offene Arkaden an. Über ein vomitorium (überwölbter Gang) gelangte man zur summa cavea (obere Sitzreihen). Jede fünfte Arkade wurde höher ausgebracht und diente als Durchgang über den man mittels Treppen zu einem Umgang mit einer hohen Brustwehr gelangen konnte. An diesem höchsten Punkt des Amphitheaters lagen mehrere separierte Logen. Leider blieb vom oberen Mauerring nicht viel erhalten, da dieser Teil auch nach dem Vesuvausbruch über das Gelände hinausragte und somit der Verwitterung ausgesetzt war. Er war in opus listatum (abwechselnd Tuff- und Ziegelsteine) gefertigt und ist nur unwesentlich jünger als der Gesamtbau. Einige kleinere Gänge mit Türen und Treppen scheinen den bevorrangten Personen vorbehalten gewesen zu sein und gewährten ihnen einen raschen Zugang zu ihren Ehrenplätzen.

Unter den letzten Reihen der media cavea (mittlere Sitzreihen) befand sich eine crypta (hier: tonnengewölbter Gang), welche ausgeklügelt vermittels eine Unterbrechung die Besucher dazu nötigte nicht nur einen Ausgang zu benutzen und damit das Gedränge zu verringerte. Die crypta erreichte man über drei westseitige und einen nordseitigen Gang. Diese waren mit unregelmässigen Basaltsteinen besonders sorgfältig gepflastert worden, da über sie auch Wagen in die Arena geführt wurden. Nach dem grossen Erdbeben von 62 n.Chr. mussten alle Tonnengewölbe aus opus caementicium (Gussmauerwerk) restauriert werden. Um künftigen Beschädigungen vorzubeugen hatte man in unregelmässigen Abständen Entlastungsbögen aus Ziegeln eingebaut.

Blick von der Arena aus in die Sitzreihen
bis e ludo computatrali "Pompei"

Auf der Nordseite des Haupteingangs finden sich zwei Nischen mit Inschriften auf Travertinplatten. Da diese nur Namen und Herkunft zweier Personen - C.Cuspius Pansa senior und iunior - nennen, ist davon auszugehen, dass in den Nischen Statuen der beiden standen. Der Vater wurde nach der lex Petronia - sie erlaubte die Wahl von Sondermagistraten - zum ausserordentlichen Duumvir gewählt. Wohl stand dies im Zusammenhang mit besagtem Erdbeben und den von den beiden aus eigener Tasche finanzierten Restaurierungsmassnahmen am Theater.

Die Arena selbst betrat man durch ein grosses halbkreisförmiges und pilasterbewehrtes Tor. Nahe diesem Durchgang von Eingang zur Arena fanden sich zwei Räume, die möglicherweise als spoliarii (Räume für Erste Hilfe und Leichenablage) in Verwendung standen. Die Eingliederung der Stadtmauern bewirkte übrigens, dass sich das Amphitheater nicht in einer perfekten Ellipse ausbreiten konnte, was jedoch optisch nicht auffällt.

Die Einfriedung der Arena bestand aus einer 218 cm hohen Brüstung mit einem ähnlichen Profil, wie es im Odeion für den analemmata (Substruktionsmauer) verwendet worden war. Die nach innen gewandte Seite war mit vielfältiger, in rechteckige Felder untergliederte Malerei geschmückt. Der Themenbogen reichte von typischen Kampfszenen, über Jagdmotive bis hin zu schlichtem Schuppenmuster.

Die cavea wurde optimal von Tuffsteinen in die drei klassischen Ränge unterteilt. Die den Honoratioren der Stadt vorbehaltene ima cavea (unterste Sitzreihen) wurde an einer Stelle in der zweiten Stufe unterbrochen um dem speziellen Sitz des rector spectaculi (Spielleiters) Platz zu geben.

Die media cavea (mittlere Sitzreihen) wurde durch Treppen in 20 Sektoren, die summa cavea (obere Sitzreihen) gar in 40 Sektoren gegliedert. Die Sitzplätze selbst waren nicht alle aus Tuffstein gefertigt. Es gab auch solche, die auf den obersten Rängen aus Holz bestanden. Sie scheinen nicht von Anfang an miteingeplant, sondern Zug um Zug als Ergänzung hinzugekommen zu sein. Durch Graffiti kennt man die einzelnen Finanziers aus der julisch-claudischen Epoche: in Summe sechs Duumviri und die magistri (Dorfvorsteher) des Pagus Augustus Felix Suburbanus (ein Dorf unmittelbar vor den Mauern der Stadt).

Die Sitzreihen waren ähnlich gestaltet wie im Odeion und besassen eine leichte Neigung, um das Regenwasser in die Arena abzuleiten. Wie im späteren Kolosseum gab es auch im Amphitheater von Pompeji Sonnensegel. Dafür waren an der Brüstung hinter der obersten Sitzreihe in regelmässigen Abständen zwei Reihen Steinringe angebracht worden. Durch sie steckte man Holzbalken, welche die Leinentücher für die einzelnen Segel trugen. Zahlreiche Graffiti in Pompeji, die den Wortlaut et vela erunt (und die Segel werden (aufgespannt) sein) trugen, belegen, dass aufgezogene Sonnensegel werbewirksam waren.

Die samnitische Palästra

Im selben Block wie Theater, Quadriportikus und Odeion befand sich im Nordwesten eine kleine Palästra. Aus der in oskischer Sprache gehaltenen Stiftungsinschrift kennt man den Auftraggeber. Vibius Adiranus vermachte Pompeji eine Geldsumme, mit welcher der Quästor Vibius Vinicius die Anlage in der zweiten Hälfte des 2.Jh.v.Chr. errichten konnte. In dieser Zeit des städtischen Wachstums diente die Palästra einer Jugendvereinigung von viri (Männern) und milites (Soldaten).

Von ihrer Grösse her ist die Anlage eindeutig zu klein, um als echte sportlich dominierte Palästra zu gelten. Vielmehr dürften hier Unterrichtsstunden und Versammlungen stattgefunden haben. Die erwähnte Jugendvereinigung (sie wurde in Dekurien unterteilt) besorgte wohl in oskischer Zeit die umfassende Grundausbildung der jungen wehrfähigen Männer von Pompeji. Auch im kultischen Bereich spielten sie eine Rolle bei Prozessionen und Feiern. Mit den später von Augustus eingeführten Jugendorganisationen hatte sie jedoch nichts zu tun, da für diese eine eigene Palästra beim Amphitheater errichtet wurde.

Blick durch die Kolonnaden im Forum Triangulare. Die Tür links führt zur Samnitischen Palästra.
e ludo computatrali "Pompei"

Der recheckige Bau besass ursprünglich Portiken an allen Seiten. Der östliche davon wurde nach dem Erdbeben von 62 n.Chr. jedoch entfernt und dem benachbarten Isistempel zur Erweiterung überlassen. Die verbliebenen 19 dorischen Säulen (8 längs-, 5 breitseitig) trugen einen sehr feinen Stucküberzug.

Die Anlage konnte sowohl von der Strasse des Isistempels, als auch vom Forum Triangulare her betreten werden. Exakt gegenüber dem strassenseitigen Haupteingang fand man zwischen der dritten und vierten Säule an der Südseite je einen grösseren (mit kleiner Treppe rückseitig) und kleineren Tuffsteinsockel. Es ist anzunehmen, dass auf ersterem eine Götterstatue stand und auf dem anderen die Siegeskränze deponiert wurden. Leider fand man von der Skulptur keinerlei Reste - sie war wohl wie die meisten Statuen zwecks Restauration ausgelagert worden.

An der Westseite der Palästra gab es noch vier Räume, von denen mindesten einer als destrictarium (Reinigungsraum nach den Übungen) gedient haben muss; die anderen als Lager. Entlang der Säulen führte rund um den Hof noch ein kleiner Abflusskanal für Regenwasser. Zudem besass die Anlage einen eigenen Brunnen, dessen labrum (Becken) neben einer der Säulen an der Nordseite zu finden gewesen sein muss - man fand in der Säule den Einschnitt für das Wasserrohr.

Die grosse Palästra

Ähnlich dem gleich nebenan gelegenen Amphitheater wählte man den Platz für die grosse Palästra aus Gründen der räumlichen Verfügbarkeit. Da es in Pompeji keine ausreichend grossen Gebäude für die sportliche Betätigung gab war die Errichtung einer dafür geeigneten grösseren Anlage dringend erforderlich. Da ergänzte es sich ausgezeichnet, dass in der augusteischen Epoche die Jugendvereinigungen neu organisiert wurden und im Sinne des Kaiserkultes derartige Einrichtungen gefördert wurden.

Die grosse Palästra mass 141 m in der Länge und 107 m in der Breite, was eine Fläche von anderthalb Hektar entspricht. An der Nordseite führte eine überproportional breite Strasse mit Platanenreihen an der Palästra entlang. Die Mauern aus opus incertum (unregelmässig aneinander gefügte Steine) besassen einen militärischen Charakter, da sie mit Zinnen bewehrt waren. Im Süden an die Stadtmauern angebaut, verfügte die Anlage im Westen und Osten über ganze zehn Eingänge. Der Platz im Inneren wurde durch einige mächtige alte Platanen aufgelockert. Von ihnen haben sich sogar Abdrücke des Wurzelwerks erhalten.

Der augusteische Bau musste bis zu seiner Verschüttung durch den Vesuvausbruch scheinbar oftmals repariert werden. Beim grossen Erdbeben von 62 n.Chr. war etwa die ganze Nordmauer eingestürzt. Aber auch an anderen Stellen findet sich Flickwerk an Flickwerk aus diversem Kalk-, Lava- und Tuffstein. An drei Seiten umschloss ein Peristyl mit je 35 im Norden und Süden sowie 48 Ziegelsteinsäulen mit Stuckatur im Westen die Anlage. Die meisten stammen noch aus augusteischer Zeit. Auch sie waren beim Erdbeben schwer beschädigt worden und die Restaurierungsarbeiten 79 n.Chr. bei weitem noch nicht abgeschlossen. Für die Alltagsforschung interessant waren vor allem die vielen auf den Säulen und Portiken angebrachten Graffitis.

Panoramablick in Richtung Amphitheater
e ludo computatrali "Pompei"

entgegengesetzter Panoramablick in Richtung Vesuv
e ludo computatrali "Pompei"

Der Fassadenschmuck der in opus latericium (Ziegelwerk) erbauten Türteile (innen und aussen) bestand aus Halbsäulen, einem Architrav und einem Giebel. Die Kapitelle besassen ein einfaches Profil aus Zierleisten und Ziegelsteinen. Die Osttore waren als kleine überdachte Räume konzipiert worden, da an dieser Seite das übliche Peristyl fehlte. Der westliche Haupteingang lag gut 90 cm über Niveau. Den Höhenunterschied glichen vier kleinere und eine grosse Freitreppe aus. Aufgefunden wurde hier auch drei Räume. In einem fand man einen Sockel, wohl für eine Kultstatue des Augustus.

Inmitten der Palästra existierte eine natatio (Schwimmbecken) von 34,55 m Länge und 22,25 m Breite. Ganz wie heutige Becken mit schrägem Boden reichte die Wassertiefe von 100 bis 260 cm. Die Versorgung mit Frischwasser besorgte ein eigenes castellum (Wasserschloss), das nahe zwischen zwei insulae (Wohnblöcke) errichtet worden war. 79 n.Chr. war das Becken nicht in Betrieb, da die Wasseranschlüsse im ganzen Gebiet rund um die Palästra noch immer brach lagen.

In der Palästra gab es ausser den erwähnten Räumen nur noch eine überdachte Lokalität: die Latrine an der Südseite. Der Bau besass ein schlichtes Dach sowie zwei quadratische Fenster und drei schmale Fenster. Auch die Latrine wurde beim Erdbeben schwer in Mitleidenschaft gezogen und mit Steinen von der Stadtmauer wieder instand gesetzt. Es scheint, als wäre die Latrine früher auch für Besucher des Amphitheaters zugänglich gewesen, doch irgendwann vermauerte man den benutzten Zugang. Die Wasserspülung stand mit dem Schwimmbecken in Verbindung, von wo Wasser in einem Abzugskanal durch die Latrine gespült wurde.

Zugang zur Arena
e ludo computatrali "Pompeii"

Blick entlang der Palästra
e ludo computatrali "Pompeii"


Quellen: Coarelli, La Roca, De Vos "Pompeji", J.-A.Dickmann "Pompeji", H.Pleticha & O.Schönberger "Die Römer", N.Harris & P.Dennis "Feuerregen auf Pompeji", "Der kleine Pauly" sowie das Computerspiel "Pompei - The Legend of Vesuvius"

 

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(PL)